Bericht von M

Ich bin 53 Jahre und Mutter von zwei Söhnen. Bis vor sechs Jahren war mein Leben noch „normal“, bis mir von Heute auf Morgen der Boden unter den Füßen weggerissen wurde.

Mein ältester Sohn war damals 15 Jahre jung, noch ein Kind, als ich das erste Mal bemerkte, dass er Drogen konsumiert. Ich erinnere mich noch an die Fassungslosigkeit, die mich erfasste. So etwas passiert doch nicht uns. Ich bin glücklich verheiratet, meine Kinder hatten eine außerordentlich glückliche Kindheit, wir wohnen in einem kleinen einfachen Häuschen, es fehlt uns an nichts und alles war so „normal“. Wir haben doch alles richtig gemacht.

Die erste Zeit versuchte ich, meinen Sohn zu erreichen. Es folgten endlose Gespräche, ihm zu erklären, dass Cannabis lediglich eine Einstiegsdroge ist. Drogentests, Belohnungen, Bestrafungen und Beschimpfungen wechselten sich ab. Ein Auf und Ab in den ersten drei Jahren, unendlich viele Aufenthalte in Kinder- und Jugendpsychiatrien und ein Selbstmordversuch. Hoffnung, Verzweiflung, Wut, Resignation bestimmten meinen Alltag.

Um seinen 18. Geburtstag herum zog mein Sohn in ein betreutes Wohnheim. Mein Mann und ich konnten nur kurz zur Ruhe kommen und ein wenig Kraft tanken. Im Anschluss ging es dann nur noch bergab. Schulabbruch, wenige Monate vor der Abiturprüfung, Einnahme von Opiaten, Benzodiazepinen, Cannabis, etc.. Den Zuschuss für das Wohnheim können wir auf Dauer nicht stemmen. Es folgt ein Kurzentzug nach dem Nächsten.

Mit ca. 19 Jahren findet mein Sohn einen Ausbildungsplatz und in uns keimt wieder ein wenig Hoffnung. Wir richten ihm eine kleine Wohnung ein und hoffen nach einem weiteren Kurzentzug, dass er wieder „in die Spur“ kommt. Kurz vor Beendigung der Probezeit sucht mein Sohn sich Hilfe bei seinem Ausbilder. Ich bin erstaunt, dass er seinen Ausbildungsplatz nicht verliert. Ihm wird dort Hilfe angeboten und er fängt einen stationären Langzeitentzug an.

Wie mein Leben aussieht? Die Jahre waren eine Zerreißprobe für unsere Ehe. Mein jüngerer Sohn kam all die Jahre viel zu kurz. Nach einem Nervenzusammenbruch während der Arbeit bin ich in einer Langzeit-Therapie. Ich gehe in mehrere Selbsthilfegruppen für Angehörige drogenabhängiger Kinder.
Dort fühle ich mich verstanden. Es kommen keine dummen Sprüche wie „Schmeiß ihn raus, lass ihn auflaufen, mach Dies oder Jenes, etc.“ Alle machen in ähnlicher Art und Weise das Gleiche durch. Mir wird zugehört und ich fühle und sehe den Schmerz der anderen Eltern.

Ich habe gelernt, offen in unserem Freundeskreis über unsere Probleme zu sprechen. Das Thema wird mich ein ganzes Leben lang begleiten. Ich bin dabei zu lernen, damit umzugehen. Lerne, dass ich meinem Sohn zwar zuhören kann, sein Leben aber nicht leben kann. Da muss er allein bewältigen.

Du hörst nicht auf, dein Kind zu lieben. Du hast es auf die Welt gebracht, die ersten Schritte begleitet, bei den Schularbeiten geholfen und wunderschöne gemeinsame Zeit miteinander verbracht.
Auch wenn du dein Kind auf die Straße setzt, wirst du dir weiterhin Sorgen machen. Wo schläft es? Hat es Hunger? Was macht es wohl gerade?

Ein Prozess fürs Leben; akzeptieren zu lernen ist nicht einfach!

Ich wünsche meinen Söhnen ein glückliches erfülltes Leben! Vielleicht geht mein Wunsch in Erfüllung!